INSTITUT FÜR RELIGIONSWISSENSCHAFT RelAI & Beyond – KI als Thema, Werkzeug und Herausforderung der Religionswissenschaft

Ausgangspunkt und Zielsetzung

Im Sommersemester 2024 wurde im Rahmen des Seminars „Playing With ChatGPT and More – Chatting About Religion“ untersucht, wie ChatGPT (Version 3.5) auf religionswissenschaftliche Fragen reagiert. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Das Modell reproduzierte stereotype Vorstellungen, zeigte erhebliche inhaltliche Lücken und war für wissenschaftliches Arbeiten nur bedingt geeignet.

Im Jahr 2025 lässt sich eine markante Qualitätssteigerung beobachten. GPT-4 basiert auf einem rund zehnmal größeren Trainingskorpus – etwa 1 Billiarde Wörter (10¹⁵) im Vergleich zu den geschätzten 100 Billionen Wörtern (10¹⁴) bei GPT-3.5. Auch die Modellarchitektur, das Prompt-Verständnis und die Fähigkeit zur Kontextualisierung haben sich grundlegend verändert.

Ziel des Projekts ist es, diesen Wandel transparent zu machen, kritisch zu reflektieren und für die Religionswissenschaft wie auch die Kulturwissenschaft nutzbar zu machen. Im Zentrum steht die Entwicklung von RelAI – einer virtuellen, GPT-gestützten Instanz mit religionswissenschaftlicher Ausrichtung. RelAI ist ein experimentelles Werkzeug, das aktuelle Diskurse an der Schnittstelle von Religion und KI beobachtet, analysiert und kommentiert. Es soll nicht nur Inhalte reproduzieren, sondern aus einer wissenschaftlich geschulten Perspektive fragen, gewichten und einordnen können.

Teilziele und Arbeitsschritte

  • Transformation sichtbar machen:
    Durch gezielte Prompts und dokumentierte Modellvergleiche (GPT-3.5 vs. GPT-4) werden Veränderungen in Inhalt, Differenzierung und Argumentation erkennbar gemacht.
  • Entwicklung von RelAI:
    Aufbau eines dialogfähigen Analyse- und Reflexionssystems, das auf GPT-4 basiert und religionswissenschaftlich „trainiert“ ist. RelAI kommentiert laufende Entwicklungen rund um Religion, KI, Imaginationen von Transzendenz und variierende technologische Erlösungsvorstellungen – nicht mechanisch, sondern kritisch, kontextsensibel und argumentativ.
  • Studierendenbefragung:
    Qualitative und quantitative Untersuchung zum Umgang mit ChatGPT in der religionswissenschaftlichen Ausbildung. Ziel ist es, Perspektiven, Nutzungsweisen und ethische Einschätzungen Studierender systematisch zu erfassen.
  • Verändertes Selbstverhältnis durch KI-Nutzung:
    Ergänzend wird untersucht, wie sich durch den alltäglichen Gebrauch von ChatGPT unser Verhältnis zu uns selbst und zu unserer Umwelt verändert – insbesondere dann, wenn persönliche Fragen, Entscheidungen oder emotionale Konflikte, die früher im Austausch mit anderen Menschen besprochen wurden, zunehmend an ein KI-System delegiert werden.
  • Leitlinien für die Lehre:
    Entwicklung konkreter Empfehlungen für einen verantwortungsvollen, produktiven Einsatz generativer KI im kulturwissenschaftlichen Unterricht.

Ethik und Verantwortung

Das Projekt folgt den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis sowie datenschutzrechtlichen und ethischen Richtlinien für die Arbeit mit KI-Systemen. Transparenz, reflektierter Einsatz und kritische Distanz sind zentrale Prinzipien

Erwarteter Erkenntnisgewinn

Das Projekt beleuchtet nicht nur die rasante Entwicklung generativer KI, sondern zeigt exemplarisch, wie religions- und kulturwissenschaftliche Perspektiven diese Technologien einordnen, mitgestalten und kritisch begleiten können. Die gewonnenen Erkenntnisse und Methoden bieten darüber hinaus Anknüpfungspunkte, die sich auch auf andere kulturwissenschaftliche Fächer und Lehrkontexte übertragen lassen.