INSTITUT FÜR RELIGIONSWISSENSCHAFT Inszenierte Kunst, gelebte Erfahrung – Japans Museen als Erlebnisräume

Kunstmuseen sind mehr als Orte, an denen Kunstwerke gezeigt werden. Sie sind Bühnen kollektiver Erfahrung. Der Besuch eines Museums bedeutet nicht nur, ein Bild zu betrachten – er ist eingebettet in größere soziale, räumliche und emotionale Zusammenhänge: das Schlange stehen, das Bewegen durch spektakulär gestaltete Räume, das Erleben von Licht, Klang, Architektur und Atmosphäre. Museen funktionieren heute als ästhetisch verdichtete Erlebnisräume, in denen sich Formen von Teilhabe, Selbstvergewisserung und Sinnsuche bündeln.

Das Projekt fragt aus religionswissenschaftlicher Perspektive danach, welche kulturellen Erwartungen und Praktiken sich in diesen Formen des Besuchs zeigen – und inwiefern der Museumsbesuch ritualisierte, körperlich-emotionale, auf Wirkung hin angelegte Dimensionen annimmt. Besonders deutlich wird das in Japan: Hier verschränken sich Natur und Technik, Popkultur und Ästhetik, Immersion und Alltag auf außergewöhnliche Weise.

Die dortige Museumslandschaft zählt zu den innovativsten weltweit: Viele Häuser sind architektonische Landmarken – etwa das von I. M. Pei entworfene Miho Museum oder das Chichu Art Museum von Tadao Ando –, andere wurden von privaten Stiftungen oder auch von neuen religiösen Bewegungen gegründet, etwa das Tokyo Fuji Art Museum oder das MOA in Atami. Hinzu kommen Institutionen wie das National Museum of Modern Art und das Mori Art Museum in Tokio oder die Benesse Art Site auf Naoshima, Teshima und Inujima. Auch Formate wie TeamLab Planets oder Ausstellungen mit Popkulturbezug – etwa zu Hello Kitty, Pokémon oder Banksy – zeigen, wie stark sich der Museumsbesuch in Richtung multisensorischer Erlebnisformate entwickelt hat.

Das Projekt fragt danach, wie diese Formen des Besuchs bei Japanerinnen und Japanern ebenso wie bei Touristinnen und Touristen funktionieren, welche Kunstmuseen besondere Anziehungskraft entfalten, welche Rolle sie in der urbanen Dynamik Tokios und in der Entwicklung einzelner Regionen spielen – und welche Effekte sie auf die Wahrnehmung von Kunst, Stadt und Landschaft ausüben. Dabei interessiert insbesondere, ob und wie sich der Museumsbesuch auch als transformierende Erfahrung vollziehen kann.

Literatur

Buggeln, Gretchen, Crispin Paine, and S. Brent Plate, eds. 2017. Religion in Museums. Global and Multidisciplinary Perspectives.London, New York: Bloomsbury Publishing Plc.

Foxwell, Chelsea. 2019. „Review. The Currency of 'Tradition' in Recent Exhibitions of Contemporary Japanese Art.“ Journal of Asian Humanities at Kyushu University 4 (3): 57–76. 

Kitazawa, Noriaki, Takemi Kuresawa, and Yuri Mitsuda, eds. 2023. History of Japanese Art after 1945. Institutions, Discourse, Practice.Translated by Tom Kain. Leuven: Leuven University Press.

Mizushima, Eiji. 2017. "Museums, Museology and Curators in Japan." Museologia e Patrimônio 10 (2): 117–33.

Morgan, David. 2017. "Material Analysis and the Study of Religion." In Materiality and the Study of Religion. The Stuff of the Sacred, edited by Tim Hutchings and Joanne McKenzie, 14–32. Abingdon, New York: Routledge.

Richard, Sophie. 2019. The Art Lover’s Guide to Japanese Museums. London: Modern Art Press.

Alle Fotos: eigene Aufnahmen im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts zur ästhetischen, sozialen und räumlichen Dimension des Kunstmuseumsbesuchs in Japan.
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